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Rezension | Anne Youngson – Das Versprechen, dich zu finden

Rezensionsexemplar // Große Träume, denen das Leben in die Quere kommt. Wünsche, die nie ausgesprochen werden. Dinge, die man nie zu tun gewagt hat. All das lastet auf den Schultern der Anfang sechzigjährigen Britin Tina, die nach dem Tod ihrer engen Freundin einen Brief an den Autor eines Buches aus ihrer Schulzeit schreibt. Der Buchautor, Archäologe und leitende Wissenschaftler an einem dänischen Museum ist jedoch mittlerweile selbst verstorben. Seiner statt antwortet Anders, der jetzige Kurator des Silkeborg Museums. Per Zufall entwickelt sich aus dem einfachen Anschreiben eine intensive Brieffreundschaft, die nach und nach auch das Leben der beiden Schreibenden verändert.

Der Briefroman hatte vor allem im 18. Jahrhundert seine Hochphase und geriet mit dem Aufkommen moderner Erzählformen langsam in Vergessenheit. Heute gibt es nur noch wenige Werke, die sich der reinen Briefform zur Präsentation einer Handlung bedienen. In Zeiten von Messengerdiensten und Social Media erscheint der Brief als Kommunikationsform den meisten Menschen überholt. Erst Cecelia Ahern verhalf mit „Für immer vielleicht“ der Brief- bzw. Zettel- und Notizform wieder zu neuer Beliebtheit, von der auch Anne Youngsons Roman profitieren dürfte. Youngson legt mit ihrem Debüt „Das Versprechen, dich zu finden“ einen modernen Briefroman vor, der ungewöhnlicher und zugleich alltäglicher nicht sein könnte.

Der Leser taucht unvorbereitet ein in die Leben von Tina und Anders. Beide sind Anfang sechzig, Tina lebt in Großbritannien auf dem Land und führt mit ihrem Mann eine mehr oder weniger lustlose Ehe und einen Landwirtschaftshof, Anders ist Kurator in einem archäologischen Museum in Dänemark und hat ein recht schwieriges Verhältnis zu seiner Familie. Beide haben vor kurzem einen wichtigen Menschen in ihrem Leben verloren und wissen nicht so recht, wohin mit ihrer Trauer. Aus einem Brief, der eigentlich gar nicht an Anders gerichtet war, entspinnt sich nach einer anfänglich distanzierten Korrespondenz eine enge Brieffreundschaft, die beiden den nötigen Halt in einer schweren Zeit gibt. Nach und nach lernt der Leser gemeinsam mit den beiden Briefeschreibern das Leben des jeweils anderen genauer kennen.

Blick durchs Schlüsselloch

Anne Youngson schafft es, die Ideen und Gedanken so schön und treffend zu formulieren, dass das Gefühl entsteht, den beiden direkt beim Briefe schreiben über die Schulter zu schauen und in ihr Denken einzutauchen. Obwohl bzw. vielleicht doch eher gerade weil ich nicht dasselbe Alter wie die beiden Hauptpersonen habe, fand ich die Story von Anfang an sehr interessant. Sich einmal durch Briefe in eine andere Person und ihr Leben hineinzuversetzen ist definitiv ein anderes Leseerlebnis als ein gewöhnlicher Roman. Ich muss gestehen, dass eigentlich Briefromane und die Thematik der Selbstfindung und Trauer an sich nicht mein Fall beim Lesen sind, die Geschichte konnte mich aber erstaunlicherweise sofort mitreißen und hat meine Sichtweise auf das Genre stark verändert. Besonders, da Briefromane bisher nur in meinem Studium ein Thema waren und dort eher zur Zwangs- denn zur Lustlektüre gehörten.

Auch wenn man sicher einige Seiten und Briefe braucht, um sich langsam auf die Form und den wechselnden Sprachstil zweier sehr unterschiedlicher Personen einzustimmen, ist es die „Mühe“ und das Weiterlesen wert. Belohnt wird man mit einem Blick durchs Schlüsselloch in das Leben von zwei Fremden, die zu Freunden werden und mit einer schönen, berührenden Geschichte.

Für alle, die sich auf eine emotionale, nicht immer stringente und dennoch sehr stimmige Erzählung in Briefform einlassen wollen, ist „Das Versprechen, dich zu finden“ eine besondere Empfehlung wert.

Literaturverweis:
Youngson, Anne (2018): Das Versprechen, dich zu finden. New York: Harper Collins

Buchdaten:
Einband: gebunden
Seitenzahl: 272
Erscheinungsdatum: 05.11.2018
Verlag: Harper Collins
ISBN: 978-3959672276

Ich habe dieses Exemplar von Harper Collins als Rezensionsexemplar erhalten. Vielen Dank dafür! Die Buchdaten sind der Verlagshomepage entnommen.

© geek’s Antiques by Lilli
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