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Literatur | Die Unterdrückung der Frau in der Literatur

Schaut man sich die zahlreichen „Lesekalender“ und „Literaturkalender“ an, die man in fast allen Buchhandlungen kaufen kann, so scheinen Frauen und Bücher bzw. das Lesen ganz hervorragend zusammenzupassen: auf nahezu jedem zweiten Kalender sind Gemälde von lesenden Frauen, mal in dramatischen Posen, mal romantisch-verliebt mit einem Brief des Verehrers in den Händen, zu sehen. Und zahlreiche Studien belegen, dass Frauen mehr Bücher kaufen und lesen als Männer, auch wenn sich ein Trend in Richtung Gleichberechtigung abzeichnet. Aber wie sieht es eigentlich mit Frauen IN der Literatur aus? Welche Rolle spielen sie? Bisweilen vor allem die „Damsel in Distress“ oder aber (im starken Kontrast dazu) die mutige Heldin – egal ob in der Fantasy oder anderswo. In den letzten Jahren ist aber vermehrt noch eine dritte Spielart hinzugekommen: die Frau in einer frauenfeindlichen, utopischen Zukunfts- oder Parallelwelt, die sogenannte „feministische Dystopie“. Und um drei dieser Werke soll es heute beispielhaft gehen.

Utopie, Dystopie oder Eutopie?

Vorweg ein kleiner Blick auf die Begriffe Utopie, Dystopie und Eutopie, denn diese sind nicht (wie oft fälschlicherweise angenommen wird) per se negativ oder positiv behaftet. Eigentlich ist es sogar recht simpel: eine Utopie ist eine mögliche Zukunftsvision einer Gesellschaft, die (noch) nicht eingetreten ist. Dabei ist es egal, ob die Zukunft für die Menschen rosig oder furchtbar aussieht. Eine Utopie ist neutral, nur durch ihr „Noch-nicht-Eintreten“ gekennzeichnet und somit quasi der Sammelbegriff für Dystopie und Eutopie. Denn ja, richtig gehört: das Gegenteil einer Dystopie ist nicht die Utopie, sondern die Eutopie. Eine Dystopie ist eine negative Zukunftsvision, in der oftmals eine Verschlechterung eingetreten ist: Umweltkatastrophen, Technikdiktaturen, totalitäre Machtverhältnisse oder die Unterdrückung bestimmter Gruppen. Eine Eutopie ist das genaue Gegenteil und beschreibt eine perfekte Welt, in der alles sich zum Besseren entwickelt hat: Heilung von Krankheiten, ethische Verbesserungen oder große Innovationen. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe aber oft verwechselt. 

Für den weiteren Verlauf des Artikels werden wir von „utopischen Welten“ sprechen, denn wie auch die Geschichten für sich, sind auch die beschriebenen Welten nicht nur schwarz oder weiß. In allen drei Erzählungen gibt es positive und negative Aspekte für die Menschheit, auch wenn für die Frauen in diesen Gesellschaften meist die negativen Punkte überwiegen. 

Miroloi von Karen Köhler

In der fiktiven Welt von „Miroloi“ (2019) erleben wir die Geschichte einer jungen Frau, die vollkommen abgeschirmt vom Rest der Welt auf einer einsamen Insel im „Schönen Dorf“ aufwächst. Ihr Leben begann als Findelkind und brachte sie in eine patriarchalische Welt, in der Frauen nichts lernen und lesen dürfen, in der Traditionen und heilige Gesetze das Leben bestimmen. Die Frauen kümmern sich um Haus, Garten und alle anfallenden Arbeiten, den Männern ist ein Leben ohne Arbeit, aber auch mit dem Verbot des Singens und Kochens vorherbestimmt. Niemand darf die Insel verlassen, keine Familie mehr als drei Kinder bekommen. Die alleinige Entscheidungsgewalt liegt bei dem von Männern geführten Ältestenrat und die Religion, die über allem steht, ist eine Mischung der uns bekannten Weltreligionen. Der einzige Ausweg von der Insel und aus der Gemeinschaft ist der Tod, für den die Menschen auf ihre letzte Reise geschickt werden – begleitet von „Miroloi“, dem Totenlied

Karen Köhler hat hier eine klassische utopische Welt erschaffen, die ohne eine zeitliche Einordnung auskommt. Sie könnte ebenso jetzt wie auch in einer fernen Zukunft spielen. Das gesamte Buch ist (zu Ehren des „Miroloi“) in Liedstrophen statt Kapitel aufgeteilt. Das Buch singt das Totenlied der namenlosen Protagonistin, die sich der Gesellschaftsordnung widersetzt.

Vox von Christina Dalcher

Eine andere und doch so ähnliche Welt zeichnet Christina Dalcher in „Vox“ (2018): Eine neue Regierung in den USA ordnet an, dass Frauen von nun an nicht mehr als einhundert Wörter am Tag sprechen dürfen. Doch das ist erst der Anfang. Eine Konditionierung auf Wegducken und Schweigen beginnt: schon bald kann die Protagonistin Jean ihren Beruf als Wissenschaftlerin nicht mehr ausüben, hat keinen Zugang mehr zu ihrer Post und muss miterleben, wie ihrer Tochter das Lesen- und Schreibenlernen in der Schule verwehrt wird. Besonders hervorzuheben ist die differenzierte Darstellung, in der nicht alle Männer über einen Kamm geschoren werden. Es gibt hier durchaus auch männliche Figuren, die sich der religiös motivierten Regierung entgegenstellen. Als Jeans Fachwissen für ein Regierungsprojekt vonnöten ist, ergibt sich eine Chance, vielleicht etwas zu ändern…

Die Geschichte spielt in unserer Zeit, im 21. Jahrhundert, und zeigt, die Wichtigkeit der Stimme weit über das Stimmrecht hinaus sowie die Bedeutung der Sprache für die Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs. 

Der Report der Magd von Margaret Atwood

Der Klassiker und Vorläufer aller heutigen „feministischen Dystopien“ ist „Der Report der Magd“. Ein Buch, das in diesem Jahrhundert vor allem durch die Serienverfilmung seit 2017 einen neuen Boom erlebt hat, denn eigentlich stammt das Werk bereits aus den 80er-Jahren. Die utopische Welt der Mägde spielt in einer totalitären Version Nordamerikas, in der nach einer atomaren Verseuchung ein großer Teil der weiblichen Bevölkerung unfruchtbar ist. Um den Erhalt der Gesellschaft zu garantieren, werden die Frauen in der von Männern regierten Welt „Gilead“ in drei Gruppen aufgeteilt: Mägde, Dienerinnen und Ehefrauen. Erstere stellen die unterste Kaste dar und dienen lediglich der Fortpflanzung, da es sich um die noch fruchtbaren Frauen handelt. Letztere „erhalten“ die Kinder der Mägde und ziehen sie als ihre eigenen groß. Die Herrschaftsstrukturen sind patriarchalisch und von einer fundamentalen Theokratie geprägt. Die Magd Desfred versucht dieser Ordnung zu entkommen. Laut einer fiktiven historischen Einordnung innerhalb der Erzählung spielt die Geschichte in der „ersten Phase der Diktatur“ im 21. Jahrhundert und endet mit einem Sprung in das Jahr 2195. 

Margaret Atwood schließt mit ihrem Werk aus dem Jahr 1985 zu Klassikern von Aldous Huxley oder George Orwell auf und legte den Grundstein für Werke wie „Vox“ oder „Miroloi“, die sich derselben Thematik mit unterschiedlichen Ansätzen widmen.

Beklemmende Utopien

In allen drei Büchern steht eine Gesellschaft im Mittelpunkt, die von Männern beherrscht und von religiösen Regeln getrieben wird. Die Protagonistinnen lehnen sich gegen diese Konzepte auf und versuchen auf ihre Weise der Gefangenschaft zu entkommen. Alle drei erzählen sie die gleichen aufwühlenden und spannenden Geschichten, die doch so unterschiedlich sind. Der perfekte Einstieg in die Welt der „feministischen Dystopie“.

Feministische Dystopien als Hörbücher

Da „Der Report der Magd“ eine Aufzeichnung der Geschehnisse durch die Magd Desfred darstellt, bietet es sich an, das Buch als Hörbuch (gelesen von Vera Teltz) zu hören und sich so die Geschichte „aus dem Mund“ von Desfred selbst erzählen zu lassen. Auch bei „Vox“ und „Miroloi“ gewinnen die Texte deutlich an Brisanz und Spannung, wenn sie von den Andrea Sawatzki („Vox“) oder der Autorin selbst („Miroloi“) vorgelesen werden und dadurch der persönliche Charakter noch einmal unterstrichen wird. 

Die Hörbücher sind bei allen möglichen Hörbuch-Anbietern, wie z.B. BookBeat verfügbar:

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