
Bücher | Das Magie-System in „Talus“ von Liza Grimm
Im Februar 2025 haben wir gemeinsam „Talus“ von Liza Grimm gelesen. Das Buch spielt in der schottischen Stadt Edinburgh und erzählt die Geschichte von Erin, die in Edinburgh studiert und nebenbei als Tour Guide für Geisterführungen in den Vaults arbeitet – wobei den Geistergeschichten und Touren Erins wahre Leidenschaft gilt und sie dem Studium eigentlich bereits den Rücken gekehrt hat. Erin ist von Geschichten und Magie fasziniert und das System zu Letzterem wollen wir uns heute anschauen!
Hinweis: Der Beitrag enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Das Magiesystem in „Talus“
Wie funktioniert die Magie in „Talus“? Welche Hexenzirkel gibt es und was sind ihre Fähigkeiten?
Der Vortex
Auch wenn mir persönlich das Buch nicht besonders gut gefallen hat, finde ich das Magiesystem (zumindest in seinen Grundzügen) interessant: Die Magie in „Talus“ stammt aus dem sogenannten Vortex und kann von den Hexen bei Bedarf „gerufen“ werden. Vom Grundgedanken her eine nette Neuerung und Abgrenzung zu der doch sonst recht langweiligen „Hexerei“ in den meisten anderen Hexen-Büchern. Aber leider fangen hier die Probleme schon an: Was genau der Vortex ist, wissen selbst die Hexen in „Talus“ nicht so genau.
„Es kursierten viele Vergleiche darüber, was der Vortex eigentlich sei. Mal war er ein gewaltiger Farbstrudel, und jeder Zirkel konnte eine Farbe sehen und mit ihr zeichnen. Mal war er eine Symphonie, und jede Hexe spielte nur ein Instrument im Gefüge des Seins. Oder der Vortex war ein Raum voller Wunder in den Sprachen des Universums, und jede Hexe wurde mit einer Muttersprache geboren.“
(aus: Talus, von Liza Grimm, S. 28)
Der Würfel „Talus“
Der magische Gegenstand, um den sich im Buch alles dreht, ist der Würfel „Talus“. Er wurde von der Hexe Abaigeal Dubh geschaffen und soll demjenigen, der ihn rollt, den Herzenswunsch erfüllen. Auf den 6 Seiten des Würfels befinden sich Symbole, eines davon wird in Band 1 als „Rad des Seins“ enthüllt, das aus fünf ineinander verschlungenen Kreisen besteht. Der Würfel ist ein mächtiges magisches Artefakt und wird deshalb von den Hexen gesucht, auch wenn die meisten ihn für eine Legende halten.
Dunkle Seuche
Was wäre frei anzapfbare Magie und ein wunscherfüllender Würfel ohne einen Haken? In „Talus“ ist dieser Haken die dunkle Seuche, eine tödliche Krankheit, die die Hexen durch schlechtes Gewissen befällt. Und ja, das ist genauso banal wie es klingt. Die dunkle Seuche befällt, so zumindest die offizielle Darstellung des tonangebenden Hexenrates, nur Hexen, die andere Hexen mit Magie verletzen. In Wirklichkeit kann die Seuche aber alle befallen, die nach einer magischen Handlung ein ausreichend schlechtes Gewissen haben. Aber ab wann ist das Gewissen schlecht genug, um befallen zu werden? Mit was kann man durchkommen, wenn man nur skrupellos genug ist? Im Buch wird erwähnt, dass einige Hexen die Seuche durch gezielte Nicht-Information zu umgehen versuchen, denn wer ein reines Gewissen hat, kann ja nicht erkranken…
Die Hexenzirkel und ihre Fähigkeiten
Die Hexengabe wird vererbt und zeigt sich bei den meisten irgendwann im Laufe der Kindheit. Die Hexen in „Talus“ sind in sogenannten Zirkeln organisiert, die jeweils ein Gebäude in der Unterwelt unterhalten. Es gibt 8 Zirkel, jedem ist eine besondere Fähigkeit und eine Farbe zugeordnet. Zwischen einigen Zirkeln herrscht, wenig überraschend, Missgunst bzw. ein Herabschauen auf Fähigkeiten, was zu Konflikten innerhalb der Hexen der Unterwelt führt.
„Der Vortex ist in acht Farben geteilt
Und so wird die Magie unter hundert Hexen verteilt:
Neunzehn von ihnen brauen gerne.
Dreißig schauen mit Karten in die Ferne.
Dreißig gehen bei den Kräutern in die Lehre.
Die nächsten zwanzig teilen sich die Elemente streng.
Pass gut auf, jetzt wird es eng:
Fünf tanzen mit dem Winde.
Fünf spielen mit dem Feuer,
Fünf ist nichts als Erde geheuer.
Fünf hören des Wassers Ruf nach Abenteuer.
Doch nur einer ist die Macht der Runen gewiss,
weil diese Magie die gefährlichste von allen ist.“
(aus: Talus, von Liza Grimm, S. 55)
Die ersten 3 Zirkel sind:
Gebräuzirkel
Fähigkeiten: Tränke brauen, Beschwörungen und Aufspürzauber
Farbe: Braun
Bekannte Hexen: Luzia „Lu“ Baxter
Tarotleger
Fähigkeiten: Schicksalsdeutung mithilfe von Tarotkarten
Farbe: Purpur
Bekannte Hexen: Kaito Watanabe
Kräuterzirkel
Fähigkeiten: –
Farbe: Weiß
Bekannte Hexen: –
Außerdem gibt es 4 Elementarzirkel:
Feuerzirkel
Fähigkeiten: Feuermagie, Leuchtkugeln
Farbe: Rot
Bekannte Hexen: Richard Stewart
Luftzirkel
Fähigkeiten: Dinge schweben lassen, Luftkanäle erschaffen
Farbe: Gelb
Bekannte Hexen: Isobel Stewart
Wasserzirkel
Fähigkeiten: Wasser bändigen
Farbe: Blau
Bekannte Hexen: Noah Stewart
Erdzirkel
Fähigkeiten: Verformen von Erde, Wachstum von Pflanzen, Edelsteine formen
Farbe: Grün
Bekannte Hexen: –
Der mächtigste Zirkel von allen, mit dessen Magie die Hexenhöhlen in der Unterwelt erschaffen wurden, ist der Runenzirkel:
Runenzirkel
Fähigkeiten: Runenmagie
Farbe: Orange
Bekannte Hexen: Jessica Bain, Abaigeal Dubh
Magische Gesten
Eine Gemeinsamkeit aller Zirkel: Die Handhaltung beim Wirken von Zaubern, der Daumen drückt den Ringfinger in Richtung Handfläche, die restlichen Finger werden hochgestreckt. Diese Fingerstellung, die die Hexen für die Ausübung von Zaubern bzw. das „Anzapfen“ des Vortex nutzen, erinnert sehr an das „Prithvi Mudra“, eine Handhaltung aus dem Yoga, die auch „Erdmudra“ genannt wird und die geistige und körperliche Erdung symbolisieren soll. Dabei steht der Daumen für Feuer & Sonne, der Ringfinger für die Erde. Berühren sich beide, kann die Energie fließen – so wie die Magie aus dem Vortex in die Hände der Hexen fließt.
Show, don’t tell: Unstimmigkeiten und fehlendes Worldbuilding
Der folgende Abschnitt ist meine persönliche Meinung zum Buch. Die Meinungen am Ende der Leserunde waren gespalten, einigen hat es gefallen, andere (mich eingeschlossen) mochten das Buch überhaupt nicht – bitte denkt immer daran, dass das Lesen eines Buches ein subjektives Erlebnis ist, selbst wenn man in einem Buchclub „zusammen“ liest. Was euch gefällt, muss anderen nicht gefallen und andersherum!
Die Vorstellung eines magischen Vortex, den die Hexen nach Bedarf anzapfen können, ist erst einmal eine interessante Grundlage für ein Magiesystem – vor allem in einem Urban Fantasy Setting. Hier hätte es viel Potenzial für ein stimmiges Zusammenspiel aus den unterschiedlichsten magischen Fähigkeiten und den Magieströmen aus dem Vortex gegeben. Auch die Zirkel bieten theoretisch so viele Möglichkeiten für geheimgesellschaftliche Aktivitäten und außergewöhnliche magische Fähigkeiten, die nicht in dutzenden anderen Büchern schon genau so oder so ähnlich heruntergebetet wurden. Aber leider wurde nichts davon genutzt.
Alles, was über ein plakatives „Schaut mal, es gibt so einen magischen Würfel, der ist sehr magisch“ und „Uuuh, das ist die dunkle Seuche, die ist sehr, sehr gefährlich!“ hinausgeht, ist genauso platt und lieblos wie das obenstehende Gedicht über die 8 Zirkel. So ist beispielsweise nicht ganz klar, ab wann die jungen Hexen ihre Ausbildung beginnen (sobald sich die Fähigkeiten zeigen?), was genau sie lernen und was das „Exil“ während der Ausbildung eigentlich bringen soll. Denn: jede Hexe muss eine Zeit lang im Exil unter den Menschen (sprich in der „Oberwelt“ von Edinburgh) leben und dafür die Heimat der Hexen (die Unterwelt) verlassen. Aber was daran für die „mächtigen“ Hexen eine Herausforderung darstellen soll, wird nicht deutlich.
Alles in allem entsteht beim Lesen von „Talus“ leider das Gefühl, dass fast alle Dinge, die das Magiesystem betreffen, einfach so aus dem Hut gezaubert werden (pun intended), wenn man sie gerade braucht und dass es kein „natürlich“ entstandenes Gefüge gibt, dass sich gleichzeitig immersiv und nachvollziehbar anfühlt.
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Der Artikel ist im Rahmen der Buchclub-Leserunde zu „Talus“ entstanden – dank der finanziellen Unterstützung der Mitglieder gibt es jeden Monat Recherche-Content zu den Bücher und vieles mehr:
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