Das Buch von Stefan Weiss zeigt eine Szene mit fließendem Wasser, einem Berg, Vögeln und einer untergehenden Sonne. Foto: Lilli/geek's Antiques
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Rezension | Stefan Weiss – Der Mai Tai trinkende Mönch und der Sinn des Lebens

Rezensionsexemplar // Der Mönch Kenso, der die Lehre der Authentizität praktiziert, verlässt sein Kloster und zieht in eine Stadt, in der er auf einen netten Mann trifft, der ihn in einer Ferienwohnung logieren lässt. Im Gegenzug beantwortet der Mönch jeden Abend bei einem Mai Tai in der lokalen Bar die Fragen von Freunden des netten Mannes. Abend für Abend kommen die namenlosen Gäste – vorgestellt nur als der Arzt, die Mutter oder die Suchende – zu Kenso in die Bar und stellen ihre Fragen, die dieser mit einer Weisheit beantwortet.

Gemeinsam mit Kenso und den Gästen macht sich der Leser auf die Suche nach dem Sinn des Lebens. Dabei repräsentieren die Gäste, wie ich finde, sehr gut die einzelnen Wesensmerkmale des Menschen. Nur Kenso und seine geliebte Maye werden namentlich genannt, der Rest ist anonym. Dadurch bleibt eine gewisse Distanz zwischen Leser und Fragensteller gewahrt, die Raum für Projektionen bietet. In der Manier konfuzianistischer Lehren werden Fragen zu allen Lebenslagen mit simplen, aber einprägsamen Aphorismen aufgelöst.

Die Erzählung hat mir wirklich sehr gut gefallen und ich habe viel davon mitgenommen. Auch beim wiederholten Lesen entdeckt man immer noch den einen oder anderen neuen Aspekt. Zum jetzigen Zeitpunkt und nach mehrmaligem Lesen kann ich zum Gesamteindruck sagen, dass mir vor allem der weiche Erzählfluss gefallen hat. Die Geschichte plätschert so vor sich hin und man merkt kaum, wie man mitgenommen und mit jeder Seite ein bisschen “weiser” wird.

Ich würde es am ehesten mit dem Phänomen vergleichen, dass man im täglichen Leben kaum Veränderungen spürt. Und sobald man mit etwas Abstand auf ein vergangenes Jahr zurückblickt, merkt man, dass sich doch ganz schön viel verändert hat. Analog dazu hatte ich beim Lesen nicht direkt den Eindruck, etwas zu “lernen” oder “beigebracht” zu bekommen – zumindest nicht im Sinne von “Frontalunterricht” oder “Vorlesung”. Es war einfach eine schöne Geschichte. Danach jedoch, mit 1 bis 2 Stunden Abstand, hatte ich plötzlich einen ganz anderen Blick auf viele Dinge und das Gefühl, bestimmte Situationen auch im Nachhinein besser zu “verstehen”.

Eine Tasse Kaffee auf einem Holztablett. Foto: Lilli/geek's Antiques

Das Buch ist bereits der zweite Band über den Mönch Kenso von Stefan Weiss, kann aber auch ohne die Kenntnis der ersten Geschichte gelesen werden. Ich würde es im Nachhinein nicht als Roman, sondern eher als philosophisches Märchen oder märchenhaftes Philosophie-Handbuch bezeichnen. Doch egal was man darin sieht, das Buch wie auch der Mönch Kenso sind vor allem eines: authentisch.

6 Dinge, die mich der Mönch Kenso gelehrt hat

Zum Abschluss möchte ich unkommentiert sechs Weisheiten nennen, die mich bei jeder Lektüre aufs Neue inspirieren.

  1. Sinn des Lebens – man muss sich im ruhigen Zentrum des Rads befinden.
  2. Konsum und Geld – Geld ist nicht alles, Besitz aber auch nicht.
  3. Forschung und Wissen – Neugierde wohnt allen inne, man sollte das Forsche und Entdecken niemals aufgeben.
  4. All-In – Man muss wollen, was man tut.
  5. Erwartungen – Wer keine Erwartungen hat, wird auch nicht enttäuscht werden.
  6. Die Schule des Lebens ist (k)ein Ort.

Ähnliche Bücher, die mir auch gefallen haben

Bücher über Philosophie, Achtsamkeit und Weisheiten gibt es momentan zuhauf. Und nur wenige schaffen es dabei, das Maß zwischen Ratgeber und Erzählung zu halten, was ich bei Büchern zu diesen Themen besonders schätze. Neben „Der Mai Tai trinkende Mönch und der Sinn des Lebens“ sind die Geschichtensammlung „Der Wanderer“ von Paulo Coelho und der Briefroman „Briefe in die chinesische Vergangenheit“ von Herbert Rosendorfer zwei weitere sehr gelungene Beispiele.

Das Buch erhält 5 von 5 Leseeulen. Grafik: Lilli/geek's Antiques

Literaturverweise:
Coelho, Paulo (1998): Der Wanderer. Geschichten und Gedanken. Zürich: Diogenes
Rosendorfer, Herbert (1984): Briefe in die chinesische Vergangenheit. München: dtv
Weiss, Stefan (2018): Der Mai Tai trinkende Mönch und der Sinn des Lebens. Weisscam Verlag

© geek’s Antiques by Lilli
lilli (at) geeksantiques.de
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2 Kommentare

  • Rainer Ostendorf

    Vielen Dank für den Buchtipp und den interessanten Artikel.

    “Sinn des Lebens: etwas, das keiner genau weiß. Jedenfalls hat es wenig Sinn, der reichste Mann auf dem Friedhof zu sein.” Sir Peter Ustinov

    Schöne Grüsse aus Osnabrück

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